Friedrich Hielscher: Die große Verwandlung (1930)

Friedrich Hielscher: Die große Verwandlung (1930)


Schriften zur Konservativen Revolution #9: Friedrich Hielscher: Die große Verwandlung. In: Krieg und Krieger, herausgegeben von Ernst Jünger, Berlin 1930. Friedrich Hielscher (*1902 in Plauen; † 6. März 1990 in Furtwangen) war ein nationalrevolutionärer Publizist in der Weimarer Republik. Hielscher gilt als einer der eigenwilligsten Köpfe, die dem Spektrum der sogenannten Konservativen Revolution zugeordnet werden. Charakteristisch für ihn sind ein streng systematisches, deduktives Vorgehen bei der Entwicklung seiner Lehre, die Fähigkeit zur Synthese von geistigen Anregungen höchst unterschiedlicher Richtungen sowie die allmähliche, doch konsequente Transformation von zunächst noch im Bereich des Politischen verorteten Positionen (zum Beispiel seines Begriffes vom Reich) in die Sphäre des ausschließlich Religiösen. 
Textauszüge: 
 
0:11 "Der Krieg hat alle großen Fragen aufgerührt. So wenden sie sich an ihn und verlangen von ihm, daß er sie löse. Aber keine Frage kann gelöst werden, es sei denn aus dem letzten Grunde, wo Notwendigkeit und freier Wille, Einsamkeit und Gemeinschaft, Dinge und Herzen, Zeit und Ewigkeit in eins zusammenfließen."  
 
0:41 "Und in Wahrheit sind Krieg und Friede zwei Seiten ein und desselben Zustandes der Verwandlung, die wir das Leben nennen." 
 
0:48 "Es überrascht immer wieder, wenn man sieht, wie die Menschen den Krieg aus seinen Zusammenhängen herauslösen wollen, wie sie sich bemühen, ihn gesondert zu betrachten, als ob irgendein lebendiges Ding für sich betrachtet werden könnte. Als ob es nicht vielmehr notwendig sei, Hintergründe und Voraussetzungen gleichzeitig zu sehen und so die Wechselwirkung zu begreifen, aus der alles entsteht." 
 
1:12 "Der Krieg ist immer da; und der Friede ist immer da. Denn jedes Leben vollzieht sich dadurch, daß es anderes Leben zerstört. Es gibt kein Zunehmen, ohne daß Anderes abnähme. Indem wir aufbauen, zerstören wir den bisherigen Zusammenhang der Dinge, die wir zum Aufbau brauchen."  
 
1:58 "Als Goethe zu Eckermann über seinen Tod sprach, schilderte er diese Sicherheit: er sehe seinem Ende mit vollkommener Ruhe und Heiterkeit entgegen, denn er wisse, daß die Kraft, die in ihm lebe, ewig und unvernichtbar sei. So ist auch das Leben der großen geschichtlichen Gewalten, der Seelentümer, die, Völker und Reiche gestaltend, die Weltgeschichte vorwärts treiben, in jedem Augenblick zugleich Krieg und Friede." 
 
3:02 "Die Art der Zerstörung ist verschieden, und ihre Möglichkeiten sind unendlich, aber zerstört wird immer. Umgekehrt: Ist nicht die unwandelbare Ruhe der Seele ein und dieselbe, gleichgültig, welcher Art die Zerstörung ist?"  
 
3:18 "So wissen wir um Krieg und Frieden als die beiden dauernden und sich in jeder Zeit vollziehenden Eigenschaften des Lebens. Und wir wissen, daß dieses Leben eine höhere Wirklichkeit ist als diejenige, die uns in Raum und Zeit erkennbar und berechenbar entgegentritt."  
 
3:53 "Jeder einzelne von uns ist ein Tropfen des großen Meeres. Darum sagen wir „Ja“ zum Leben, wie es ist. Wir heißen es vollkommen, und es könnte nicht anders sein. Darum lieben wir die große Verwandlung der Weltgeschichte; denn in ihr wirkt die Ewigkeit selbst, Krieg und Friede zugleich, zugleich Untergang und Sieg, Tod und Vollendung."  
 
5:09 "Um diese Heimat dreht sich die Welt. Unhörbar dreht sie sich. Zu dieser Heimat gehört niemand, in dessen Herzblut nicht die Goethesche Imbrunst lebt. Sie ist eines mit Nietzsches Willen zur Macht, Luthers Vertrauen in die Allmacht Gottes, der Versunkenheit Meister Eckeharts, dem königlichen Kriegertum der Nibelungensage. Aus allen diesen redet ein und dieselbe Zuversicht, ein und dasselbe „Ja“ zu dem einen Willen, der in der Welt sichtbar wird." 
 
6:09 "Wie das Daseins überhaupt die Erscheinung der göttlichen Wirklichkeit ist, dann muß diese menschliche Einheit sich als die Erscheinung jenes ewigen Reiches in geschichtlichem Ablauf entfalten, wie alle ewigen Kräfte des göttlichen Werdens als zeitliche Verwandlungen in der Geschichte erscheinen." 
 
7:38 "Durch die Völkerwanderung wird die Erde zum ersten Mal auf das heimliche Reich aufmerksam."  
9:10 "Die ganze Fülle der in diesem Streit miteinander verflochtenen Kräfte nimmt das heimliche Reich in sich auf, als es seine Stämme in den Krieg um das Mittelmeer hineinschickt. Durch eine königliche Verschwendung von Blut erobert es sich die Staatskunst Roms, das sittliche Feingefühl Israels, den hellenischen Schönheitssinn, die geistgeladenen Begriffe von Byzanz."  
 
10:42 "Der Dreißigjährige Krieg ermöglicht Leibnitz und Friedrich den Großen, Bach und Mozart, Goethe und Hegel; der Boden ist aufgewühlt bis in den Grund und trägt tausendfältiger Frucht. Während der Westen die Macht seiner Wirtschaft über die ganze Erde ausdehnt, findet das heimliche Reich zu E. T. A. Hoffmann, Bismarck, Nietzsche und Wagner."
 

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