Robert Steuckers
Am 29. März 2006, starb der normandische Schriftsteller, Literaturkritiker und Militärhistoriker Jean Mabire in seiner bretonische Wahlstadt Saint-Malo. Er war 79. Als Jugendlicher musste er 1944 seine Heimat in der damals rein idyllischen Normandie fluchten, weil die Westalliierten ihre übliche Bombenteppichstrategie ausübten, wobei etliche Tausende unschuldiger Zivilisten davon Opfer wurden. Nach dem Kriege studierte er Literatur und schrieb als allererster eine Dissertation über den berühmten faschistischen Schriftsteller Pierre Drieu La Rochelle, der, wie er selbst, ein Kind der Normandie war. Jean Mabire engagierte sich erst für eine Renaissance der Normandie, studierte gründlich die nordisch-skandinavische Vergangenheit dieser Kanalprovinz, ihre mittelalterliche Geschichte und ihre bekannten Schriftsteller und Denker wie etwa Tocqueville, Flaubert, Sorel und Drieu. Ende der 50er Jahre, Anfang der 60er Jahre wird er als Reserveoffizier mobilgemacht und kämpfte in Algerien in einem Alpenjägerverband gegen algerische Partisanen im Aurèsgebirge. Danach, wie damals manche Offiziere, fühlte er sich von der gaullistischen Regierung im Stich gelassen, und engagierte sich im europäisch-nationalen Kampfverband „Europe Action“, zusammen mit seinem Freund Dominique Venner, der heute die Zeitschrift „Nouvelle Revue d’Histoire“ herausgibt. Das Experiment endete leider in einem Fiasko und sowohl Mabire als Venner nahmen den Entschluss, metapolitisch den Kampf weiterzuleiten: der Eine kämpfte bis zum letzten Atemzug, der Andere steht noch immer tapfer auf der Bresche.
So entstand ein Werk breiten Umfangs. Mabire rehabilitierte so vergessene Figuren wie der deutsch-baltische Freiherr Fjodor von Ungern-Sternberg, der die Kavallerie-Division der Weissgardisten-Armee in Ostsibirien leitete. Später zeichnete der italienische Graphiker Hugo Pratt auf Grundlage von Mabires Buch eine weltberühmt gewordene Bilderzählung, in der sein Held Corto Maltese den sogenannten „Verrückten Baron“ trifft. Für Mabire ist der Stoff jeder wertvollen Literatur die menschliche Kraft, Abenteuer zu wagen. Unger-Sternberg verkörperte dieses Ideal, war eine solche Figur. In diesem geistlichen Kontext wurde Mabire in den 70er Jahren der französische Militärhistoriker der deutschen und europäischen Waffen-SS, der französischen Alpenjäger, der deutschen Fallschirmjäger, der britischen Rotbaretten, uzw. Diese Monographien erschienen beim grossen Pariser Verlagshaus Fayard. Er wurde dabei berühmt, viel gelesen, ohne je ausgeschlossen zu werden, da sein strahlender Charismus jede Schwierigkeit wunderlich wegwischen konnte.
Weiter hat er Anfang der 80er Jahre, eine Serie gestartet, die er leider nicht weiterschreiben konnte, was er sehr bedauerte: Monographien über Männer, die er „Volkerwecker“ nannte, wie Grundvigt in Dänemark, Padraig Pearse in Irland, Petöfi in Ungarn. Mabire blieb insofern dieser Grundidee der Volksbefreiung durch geistlicher Rückkehr zu einer idealen entfremdungsfreien Vergangenheit treu, wie zur Zeit seines jugendlichen Engagements für die Wiedergeburt seiner verliebten Heimat, der Normandie. Neben seiner Beschäftigung als Militärhistoriker oder als Historiker schlechthin, schrieb Mabire auch jede Woche eine bemerkenswerte literarische Chronik für das Wochenblatt „National Hebdo“. Mabire hat so ein enzyklopädisches Werk geleistet, da er unbekannt gewordene Autoren, die sehr in ihrer Zeit gelesen wurden, wieder entdeckt bzw. rehabilitiert hat. Man liest verblüfft wie viele Schriftsteller im Laufe der letzten anderthalben Jahrhunderts, eben diese Mabirsche Mischung aus Abenteuer, Wagnis, Reiselust, Behauptung, Sinn für Geschichte in ihren Büchern dargestellt haben. Der Zeitgeist, der zur heutigen verblassten „politischen Korrektheit“ uns jämmerlich geleitet hat, hat die Erinnerung an diese früher Erfolgsautoren buchstäblich ausgewischt. Zeichen der Zeit! Indiz einer Orwellschen Welt!
Um hier Schluss zu machen, möchte ich gern noch meine letzte Begegnung mit Jean Mabire erwähnen. Er war Anfang Dezember 2005 in Brüssel, wo wir zusammen gegessen haben zur Gelegenheit eines Freundschaftsmahls der Gesellschaft der Freunde des non konformen Schriftstellers Jean Raspail. Pausenlos und systematisch mit seiner hellen Stimme und seinem unvergleichbaren Sinn für Nuancen, hat Jean Mabire über seine Ideen, seine neuesten Entdeckungen gesprochen, als ob die Krankheit nicht heimtückisch da war. Eine männliche Haltung, die bloss Lästigkeiten wie ein langsam wirkender Krebs ignoriert, handelnd wie er überhaupt nicht da war. Ein Beispiel für jeden von uns! Dann kam das allerletzte Handschütteln, lang, fest und kräftig, mit dieser ungebrochenen männlichen Stärke eines Freikorps-Offiziers, und auch mit diesem tiefen kraftvollen blauen Blick, wo noch so viele vitale Kraft stak. Dieser Blick bleibt für immer in meinem Gedächtnis geprägt. Ende Januar kam ein gelassener Abschiedsbrief an alle Freunde, wo Mabire sein eigenes Ende ankündigte. Europa hat einige Wochen später, einer seiner besten Söhne verloren.
Robert Steuckers.
Commentaires
Enregistrer un commentaire